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Unten muß es stimmen!

Brief an Busch

Jerusalem und sonst wo

Sonntagsverkauf

Vom Zuschauen ...

Sitzuhren?

Wäre doch gelacht ...

Was ist der Einzelne Wert?

Muslime und Vorurteile

arbeitslos

Bemüht Euch um das Wohl der Stadt



Wie lange noch wollt ihr ungerecht richten und die Frevler begünstigen?
Verschafft Recht den Unterdrückten und Waisen, verhelft den Gebeugten und Bedürftigen zum Recht!
Befreit die Geringen und Armen, entreißt sie der Hand der Frevler!
Sie aber haben weder Einsicht noch Verstand, sie tappen dahin im Finstern.
Alle Grundfesten der Erde wanken.“

Diese Sätze aus Psalm 82 klingen wie ein verfrühter Kommentar zur aktuellen Bankenkrise. Anlass, über Recht und Gerechtigkeit tiefer nachzudenken.
Unten muss es stimmen. An den Kleinen, Verängstigten und Gedemütigten entscheidet sich, ob eine Ordnung gut oder schlecht ist. „Gottgewollt“ ist nur eine Gerechtigkeit, in der Not und Elend beseitigt sind.
Was „oben“ passiert, ist der Bibel ziemlich egal, solange es für diese Gerechtigkeit reicht.
Eigentum, Kraft und Wohlstand verpflichten zur Arbeit an dieser Gerechtigkeit. Mögen die Manager verdienen, so viel sie wollen:Wenn sie sich aber nicht um die Menschen kümmern, die die Folgen ihrer Entscheidungen spüren, lästern sie Gott.
Das gilt weltweit. Solange in Afrika Kinder verhungern, ist ein Millionengehalt bei uns eine Todsünde. Solange in den USA Menschen sterben, weil sie sich keine Krankenversicherung leisten können, ist das Sünde – wenn gleichzeitig Milliardäre zu ihrem Vergnügen die Welt in einem Raumschiff umrunden.
Krieg ist ohnehin Sünde. Der derzeitige heilige Krieg gegen das Böse – erinnern sie sich: Wir machen mit! - ist doppelt ungerecht, weil er dazu führt, dass in ärmsten Ländern Milliarden in Kriegsgerät gesteckt wird, anstatt in Gerechtigkeit zu investieren. Dabei sind Unrecht und Armut die Hauptursachen für die Konflikte in den betroffenen Ländern. „Pervers“ ist die einzig passende Bezeichnung, die mir dazu einfällt.
Ob sich eine Ordnung kapitalistisch, sozialistisch oder sonst wie nennt, ist von der Bibel her egal. Unten muss es stimmen.

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Dear Mr. President,

ich muß Ihnen doch mal sagen, was mich bei Ihrem Auftreten so drückt. Sie sagen, Sie sind ein tief gläubiger Christ. Sie sprechen täglich mit Gott. Was Sie tun, ist mit Gott vorher abgesprochen.

Ich bin ein überzeugter liberaler und aufgeklärter Protestant. Ich behaupte nicht, daß ich die göttliche Weisheit so direkt bekomme wie Sie. Aber ich predige, daß für den Glauben der Respekt vor jedem Menschen wichtig ist, und daß wir uns in Gottes Namen einsetzen sollen für Gerechtigkeit und Frieden.

Ich erzähle auch, was in der Vergangenheit war mit Kreuzzügen und anderen Kriegen. Da sind Christen losgezogen mit einer grausamen Überheblichkeit. „Gott mit uns“ und gegen den Rest der Welt.

Grausamkeiten von religiösen Fundamentalisten haben in dieser Welt manches blutige Schlachten angerichtet. Nicht anders als die Selbstmordattentäter, die mit dem Ruf „Allah ist groß“ sich und andere in die Luft sprengen. Gotteslästerung ist das.

Heilige Kriege (Arabisch Djihad) gab und gibt es zu viele. Ich predige, daß dies schreckliche Irrungen sind, und daß sie Gottes Willen nicht entsprechen können. Gott will uns als Streiter für seine friedliche und menschenfreundliche Welt.

Sie haben mit Gott den Krieg gegen den Irak besprochen? Sie sind sich mit ihm einig, was die „Achse des Bösen“ ist? Das „Böse“ ist ja ein zentraler religiöser Begriff.

Wer meint, mit allen Mitteln Gottes Willen durchsetzen zu müssen, ist ein gefährlicher Fundamentalist. Er verbirgt dabei oft seine wirklichen Motive wie Machtstreben oder wirtschaftliche Vorteile.

Sie mißbrauchen die Berufung auf eine religiöse Mission für Ihre militärischen Ziele. Die haben mit Liebe, Frieden und Gerechtigkeit im Sinn der Offenbarung nichts zu tun. Damit sind sie mit ihrem Glauben so weit von meinem entfernt, wie alle, die sich auf eine göttliche Rechtfertigung für Krieg berufen.

Jeder Fundamentalismus, auch Ihrer, bedeutet Gefahr für vernünftigen Fortschritt im Glauben an Gottes Liebe. Gott will keinen Krieg.

Ihr Pfarrer Dietrich Bardens

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Jerusalem und sonst wo

In der Pfingstgeschichte im 2. Kapitel der Apostelgeschichte findet sich die Bemerkung, daß in Jerusalem Leute aus der ganzen Welt wohnten. Die folgende lange Aufzählung von Herkunftsländern könnte auch in Ludwigshafen gelten, nur daß unsere Welt heute weiter geworden ist. Chinesen und Amerikaner fehlen im alten Jerusalem noch.
Wer sich dann die Geschichte alter und moderner Städte anschaut wird finden, daß sie alle eine bunt gemischte Bevölkerung haben. Sie wirken als magnetische Anziehungspunkte für Menschen aus Nah und Fern: Rom und Alexandria, New York und Berlin, Florenz und Ludwigshafen sind sich da ganz ähnlich.
Menschen kommen, während andere gehen: Es sind tausende Ludwigshafener, die für einige Zeit oder für immer in der ganzen Welt leben. Die einen arbeiten, andere studieren oder lehren, machen Urlaub oder verleben die Rente in fernen Ländern.
Nur so können Städte funktionieren, indem sie sich am reichen Austausch von Menschen, Ideen und Wissen beteiligen und davon in ihrer Gesamtheit profitieren. Städte, die sich abschotteten, waren schnell einem rasanten Niedergang ausgesetzt: Das beste Beispiel in Europa war Tirana in Albanien.
Jetzt kommt das große Aber: Das Zusammenleben von Menschen aus vielen Kulturkreisen funktioniert nicht automatisch. Auch das berichtet die Bibel in der Geschichte vom Turmbau zu Babel. Dort konnten sich die Menschen nicht mehr verständigen, wurden sich so fremd, daß die Stadt sich auflöste und verlassen wurde.
Miteinander leben ist eine schwere, aber lohnende Aufgabe. Sie funktioniert nur, wenn Menschen einander respektieren und verstehen. Nur, wer offen ist, vom Anderen Neues und Gutes zu erwarten, wird profitieren können.
Die Pfingstgeschichte findet ihren Höhepunkt darin, daß alle Menschen miteinander reden und aufeinander hören können: Und das kommt ihnen wie ein Wunder vor. Sie sind „begeistert“.
Wir müssen noch viel tun für ein vielstimmiges Miteinander in Ludwigshafen, bis wir es ebenso empfinden können. Aber es lohnt allemal.

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Vom Zuschauen...

Allabendlich treffen sich auf einem Platz an einer Kirche in unserem Stadtteil mehrere -zig Jugendliche. Sie erzählen, lachen, hören Musik, wie das eben so ist.

Aber: sie sind den Anwohnern zu laut. Der Platz an der Kirche ist morgens regelmäßig versaut mit Pizzakartons, Bierflaschen, Spritzenbestecken und anderem Unrat. In den Spielplatz des Kindergartens werden Scherben, manchmal sogar Messer geworfen. Auf die Kunstglasscheiben der Kirche wird Zielwerfen geübt und das oft genug mit Erfolg. An den Sandsteinmauern findet man immer wieder Gaffiti.

Was tun? Die Polizei hat schon manche Anzeige gegen Unbekannt aufgenommen und das Verfahren nach angemessener Zeit wieder eingestellt. Die nahe gelegene Firma hat Zäune aufgestellt.

Kontrollgänge helfen nicht, weil man sie immer im falschen Moment macht. Und man hat ein Gefühl der Hilflosigkeit, wenn man die jungen Leute sieht und sich überlegt, wer davon die Spritzenbestecke braucht...

Was haben wir früher gemacht? Wir waren ja auch mal jung.

Ich erinnere mich gut an die Abende in der kirchlichen Jugendarbeit oder dann die vielen Stunden im Haus der Jugend. Da war was los. Clubs, Konzerte, ein Cafe, Filme, Disko. Ich denke gerne daran zurück.

Keiner kann abschätzen, wieviel junge Menschen vor der Straße und einem verfehlten Leben bewahrt worden sind.

Heute fehlt das Geld, sagt man. Das Haus der Jugend ist nur noch Schatten dessen, was es war. In unserer Kirchengemeinde läuft die Jugendarbeit auf Sparflamme. Die zwei Diakonenstellen wurden eingespart.

Heute fehlt das Geld. Aber wie teuer kommt uns das Sparen morgen, wenn wir die Folgekosten des Nichtstuns bedenken? Fenster reparieren, Unrat beseitigen, Polizei beschäftigen, Drogentherapien bezahlen, verpfuschte Lebenswege gerade biegen...

Nichts Tun, Zuschauen und Resignieren kostet viel mehr als das Richtige Tun.

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Wäre doch gelacht...

Im Märzen der Bauer die Rößlein anspannt...“. Beim Wetter der letzten Tage können einen Frühlingsgefühle packen.

Im Frühling wird gepflanzt, geht etwas auf. Der Bauer sät Roggen und erntet Roggen, sät Raps und der Raps wächst, sät Radieschen...

Im Frühling geht einem das Herz auf. Gefühle wehen um die Seele wie der Frühlingswind um die Nase.

Der Bauer sät Pflanzen und wir alle säen Gefühle um uns aus – ob wir wollen oder nicht. Und was raus ist, das wächst auch.

Uralt ist das Wissen, daß wir selbst die seelische Landschaft um uns herum bepflanzen. Saatgut haben wir alle genug: Vertrauen und Mißtrauen, Liebe und Haß, Sanftmut und Gewalt, Angst und Geborgenheit.

Und genauso wie der Bauer den Raps aufgehen sieht, können auch wir die Saat der Gewalt aufgehen sehen. Oder die der Liebe oder des Vertrauens.

Nobody is perfect. Keiner hat sich so im Griff, daß er anderen nur nützt. Unkrautsamen haben wir alle auch genug in unserer Saatkiste. Manches davon haben Andere aus Bosheit oder Unachtsamkeit ausgesät und es ist in unserem Leben aufgegangen.

Welche Saat wollen wir um uns herum aufgehen sehen? Wie sieht es am Arbeitsplatz aus oder in der Familie. Nicht alles ist da Garten, in dem man sich wohl fühlen kann. Dornen und Unkraut, Bosheit und Bedrohung umgeben uns oft genug.

Jeder freut sich über gute Gefühle, vertrauenswürdige Gemeinschaft, Freude und Hoffnung. Aber was da aufgeht ist nicht vom Himmel gefallen, sondern ist unser aller Saat.

Vielleicht gelingt es uns, in diesem Frühjahr mehr als bisher darauf zu achten, was wir uns und anderen anpflanzen. Wäre doch gelacht, wenn wir nicht mehr Farben, Zuversicht und Hoffnung keimen lassen können.

Nicht jede Blume geht auf. Nicht jedes Vertrauen ist gerechtfertigt und nie wird jede Liebe beantwortet.

Aber schon der Versuch ist fruchtbar.

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Muslime und Vorurteile

Ich ärgere mich oft, wenn jemand pauschal über „die Christen“ oder „die Kirchen“ herzieht. Ich bin nicht „die Christen“, sondern ein Pfälzer Protestant mit ganz eigener Prägung. Für den Terror der Kreuzzüge lasse ich mich nicht verhaften.

Ich will mir im Zusammenleben mit anderen Religionen nicht den Terror der Kreuzritter vorwerfen lassen, die bei ihrem heiligen Krieg sogar Menschen grillten und aßen um Schrecken zu verbreiten. Ich bin auch Christ, vieles haben wir gemeinsam, aber ich lasse mich nicht für die Grausamkeiten anderer an den Pranger stellen.

In Ludwigshafen leben viele Muslime. Mancher verdächtigt sie pauschal des Terrorismus. Doch wie bei den Christen gibt es auch bei ihnen solche und solche: Fanatiker und Liberale, Träumer und Allesbesserwisser.

Man muß näher hinschauen, dann kann man urteilen. Was viele nicht vermuten: die Muslime in Deutschland haben eine ähnlich enge (oder lockere) Bindung an die Moschee wie Christen an die Kirche. Die meisten sehen sie nur alle Schaltjahre mal von innen. Und was da geredet wird interessiert sie wenig.

So bunt wie die religiöse Landschaft der Christen ist auch die der Muslime: Da gibt es Aleviten: „muslimische Protestanten“ nenne ich sie gerne, weil sie auch die Werkgerechtigkeit und den Klerus abgeschafft haben und den Koran in der Muttersprache lesen, Frauen und Männer gleichberechtigt im Gottesdienst behandeln und sehr demokratisch eingestellt sind. Leider habe die Aleviten in Ludwigshafen kein Domizil gefunden, sie haben ihr Zentrum in Mannheim.

Da gibt es die „DITIB“-Moscheevereine in der Industriestraße, Oggersheim und Ruchheim. Ihre Grundeinstellung ist demokratisch. Mit ihnen war immer ein guter Kontakt und viel Offenheit möglich. Ich habe auch Freunde dort gefunden.

Leider mußte der größte und liberalste Moscheeverein Ludwigshafens, die Mevlana-Moschee, in die Industriestraße weichen, weil er im Bereich von Innenstadt und Hemshof keine Räumlichkeiten für seine Zwecke nutzen durfte. So haben unsere islamischen Mitbürger leider im Zentrum unserer Stadt keine Begegnungsmöglichkeit in einer offenen und fortschrittlichen Moschee.

Wir müssen lernen wo unsere Freunde und Partner unter unseren islamischen Brüdern sind und wo die Feinde unserer Werte und Ordnungen. Wir müssen mit verläßlichen Partnern eine gemeinsame Zukunft für unsere Kinder bauen. Gewalt und Haß kann man nur mit Vertrauen und Freundschaft vertreiben.

Hören wir auf, einander pauschal zu beschimpfen. Lernen wir uns besser kennen. Reden wir mehr miteinander.

Und dann lassen sie uns gemeinsam gegen die Radikalen in allen Bereichen stark werden.

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Bemüht euch um das Wohl der Stadt

Alle reden davon: „Die Politiker“ lügen und betrügen, finanzieren ihre Parteien aus schwarzen Töpfen, begehen Gesetzes- und Verfassungsbrüche.
"Ich gehe nicht mehr wählen" sagt einer, "Die machen ja doch nur, was sie wollen", ein anderer. Die Politik- und Parteienverdrossenheit ist größer denn je. Alle Parteien bekommen das ab.
Vor 2500 Jahren fragten Menschen bei dem Propheten Jeremia an, was sie tun sollten. Politiker in ihren eigenen Reihen hatten versagt, ihre eigenen Taschen gefüllt und das Land in den Ruin geführt. Die Warnungen der Propheten hatten sie nicht gehört. Und nun mußten die Israeliten im Exil unter feindlichen Politikern leben.
"Bemüht euch um das Wohl der Stadt, denn in ihrem Wohl liegt euer Wohl", schreibt ihnen Jeremia. Er hält sie an, sich einzumischen und sich zu beteiligen am gesellschaftlichen Leben und der Politik.
Der einzig sinnvolle Weg ist nicht Resignation und Rückzug , sondern Einmischung und Engagement. Für protestantische Christen galt und gilt das: diese Welt gestalten und besser machen. Als Gottes Werkzeug an seinem Reich mit zu bauen und Gerechtigkeit, Frieden und Hoffnung hier und jetzt zu erstreben.
Je mehr mitmachen und sich einmischen, desto weniger haben Korruption und Betrug eine Chance. Je mehr Menschen Mut zu Widerspruch und Zivilcourage haben, desto sauberer wird die Politik.
Demokratie lebt von der Beteiligung der Bürger. Wenn immer weniger in den Parteien „das Maul aufmachen“, ist die Demokratie bedroht. Und es gibt nun mal nichts besseres als die Demokratie.(Februar 2000)

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Sonntagsverkauf

Sechs Tage darfst du schaffen und jede Arbeit tun. Der siebte Tag ist ein Ruhetag, dem Herrn, deinem Gott, geweiht. An ihm darfst du keine Arbeit tun: du, dein Sohn und deine Tochter, dein Sklave und deine Sklavin, dein Vieh und der Fremde, der in deinen Stadtbereichen Wohnrecht hat.“
So lautet das erste mir bekannte Arbeitsschutzgesetz der Geschichte. Über 2500 Jahre ist es alt. Wichtig ist dabei, daß nicht die Reichen und Mächtigen geschützt werden, sondern gerade die Kleinen und ansonsten Rechtlosen.
Seit über 2500 Jahren war diese Regelung weitgehend unumstritten. Die Juden feiern diesen siebten Tag am Samstag, die Muslime am Freitag und die Christen am Sonntag. Die Schutzregelung wurde auch zentraler Teil der Morgen- und Abendländischen Kulturen.
Dieser Tag war nicht zum Schutz für die Religion da, sondern die Religion stellte sich mit all ihrer Autorität hinter die Schwachen. Einen Tag in der Woche soll der Mensch frei sein, nicht verfügbar für seinen Arbeitgeber.
Ich weiß, daß die Kirchen nicht mehr soviel zu sagen haben. Ich weiß, daß das Kapital und die Gewinne zur wichtigsten Entscheidungsgröße geworden sind.
Dennoch: Mit all der Autorität, die mir als Pfarrer noch bleibt, sage ich "Nein" zum Sonntagsverkauf. Nicht wegen der Kirche, sondern wegen der Menschen. (September 1999)

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Sitzuhren?

Neulich im Rathauscenter: Eine Familie - offensichtlich japanische Touristen - saß auf dem Rand der leeren Bühne. Sie erzählten miteinander und betrachteten das Treiben außen herum. Da kam ein uniformierter junger Mann und schickte sie weg. Ich sprach ihn sofort an, ob man hier denn nicht sitzen dürfe, die Leute würden ja schließlich niemanden stören. Er habe eben Anweisung: Nichts zu machen. Und andere Sitzgelegenheiten waren nicht auszumachen.
Hellhörig geworden bekam ich nun viele Berichte dazu zu hören. Ein Rentner beschwerte sich, daß man sich nicht zusammensetzen und klönen könne, ein italienischer Ludwigshafener meinte gar, das Sitzverbot richte sich vorwiegend gegen Ausländer. Man werde sogar zum weitergehen aufgefordert, wenn man mit Bekannten längere Zeit beisammen stehen würde.
Was macht denn eine Stadt lebens- und liebenswert? Ist die wichtigste Funktion der Stadt nicht die Begegnung von Menschen? Beieinander sitzen, sich ausruhen, reden oder schweigen, schauen oder diskutieren. Wie wichtig ist das gerade in Zeiten, wo jeder Politiker die Isolation der Menschen in den Städten beklagt?
Umsatz muß her. Wer erzählt, gibt nichts aus. Wer nur rumsitzt, bringt keine Kohle. Außer im Café natürlich. Aber wer will sich denn schon immer ein Getränk reinschütten?
Ich finde, gerade im Zentrum einer Stadt muß es menschenfreundlich zugehen. Der Mensch muß mehr zählen als die schnelle Mark. Viel mehr Bänke und Sitzgelegenheiten müssen her. Aber ich befürchte, dann stellt wieder eine Firma Sitzuhren auf, in die man erst 50 Pfennige werfen muß... (Oktober 1998)

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Was ist der einzelne wert?

Eine Stunde häusliche Pflege wird mit knapp 47 DM vergütet. Da sind alle möglichen Nebenkosten mit drin. Erinnern sie sich an Ihre letzte Handwerkerrechnung? Die war sicher viel teurer. Was ist uns eine Stunde am kaputten Kühlschrank und was eine am bedürftigen Menschen wert?

Unsere Gesellschaft orientiert sich stark am Materiellen. Auch in der Strafjustiz: Sachbeschädigung wiegt schwerer als Verletzung einer Persönlichkeit. Wer seine Frau verprügelt kommt zumeist besser weg, als wenn er den Gartenzaun des Nachbarn zerschlägt.
Menschen - zumal schwache - haben es in unserer Gesellschaft schwerer als Sachen. In Pflegeheimen bleibt kaum Zeit für Menschlichkeit. Sie wird herausgerechnet. Und wenn dann keine Angehörigen da sind, bedeutet der Aufenthalt in einem Pflegeheim oft schreckliche Einsamkeit inmitten von Menschen.
Der Mensch steht schon lange nicht mehr im Mittelpunkt unseres Wertesystems. Bei Entlassungen wird zuerst nach dem wirtschaftlichen Vorteil und dann erst nach dem Schicksal gefragt. Was ein Arbeitsloser kostet, sehen wir - nicht was jeder einzelne wert ist.
Nicht wieder nach den Politikern schreien! Den Wert des einzelnen Menschen schon im Alltag wiederentdecken - das hilft. Hinter der Kasse im Supermarkt sitzt keine Maschine, sondern eine Seele, die sich freut und ärgert. Und zu meinen 23,74 DM kann ich noch ein gutes Wort oder ein Lachen mitgeben. Und das ist dann viel mehr wert, als die Scheine und Münzen. Mein wirklicher Reichtum sind doch Menschen, mit denen ich zu tun habe.
Ich kann nicht jeden lieben und mich kann nicht jeder mögen. Aber wahrnehmen und respektieren können wir uns noch viel mehr. Und dadurch werden wir alle reicher - auch wenn es Geld kostet.
Dietrich Bardens, Juni 1998

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arbeitslos

Heute war wieder einer ohne Arbeit bei mir, einer der fast 5 Millionen. Eine Zahl, bei der man verzweifeln möchte. Nichts mehr mitkriegen! Augen zu! So lange Du nicht selbst betroffen bist, ist es ja gut!?

Er erzählt seine Geschichte. Einmal mit den Vorgesetzten nicht verstanden: Und nun verfolgt ihn ein schlechtes Zeugnis bei jeder Bewerbung. Und läßt er es weg, ist es noch schlimmer. Ich kenne -zig Geschichten über den Weg in die Arbeitslosigkeit. Alle sind schrecklich, jede anders. Ich fühle mich dann oft hilflos und wütend, weil es doch Menschen sind, die leiden.

Ich werde den rechtschaffenen Presbyter nie vergessen, der immer sagte »Wer arbeiten will, der bekommt auch Arbeit«, bis sein Betrieb schloß. Als 47-jähriger bekam er keine Arbeit mehr und gehörte auf einmal zu denen, die er eben noch verachtet hatte.

Da kommen meine Glaubensgrundlagen auf den Prüfstein. »Jeder Mensch ist Gottes gewolltes und geliebtes Geschöpf« und »Gottes Ebenbild«.

Die Arbeitslosigkeit ist die größte Sünde unserer Gesellschaft. Wo Kapital und Gewinne wichtiger sind als Menschen, ihre sinnvolle Lebensgestaltung und ihr Wohlergehen, wird Gott in seinem Ebenbild gelästert und verhöhnt.

Schimpfen ist einfach. Was kann ich aber tun? Ist die Aufgabe nicht viel zu groß?

Ich kann etwas tun. Ich setzte mich ein für mehr Stellen, wo ich etwas zu sagen habe. Ich sage laut und deutlich, daß ich weniger arbeiten und auch verdienen will, wenn andere dadurch eine Stelle bekommen.

Und ich widerspreche, wenn auf die geschimpft wird, die angeblich auf unsere Kosten faulenzen.

Ich will und muß Menschen zeigen, daß sie mit ihrer Arbeit nicht die Würde und Ehre verlieren. Und vom Stammtisch bis zur Kanzel immer wieder sagen: Arbeitslosigkeit ist Sünde. Der Sünder ist aber nicht der Arbeitslose.

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